Winterreigen

Ein Lied, hinterm Ofen zu singen


Der Winter ist ein rechter Mann,
Kernfest und auf die Dauer;
Sein Fleisch fühlt sich wie Eisen an,
Und scheut nicht Süß noch Sauer.

Wenn Stein und Bein vor Frost zerbricht,
Und Teich’ und Seen krachen;
Das klingt ihm gut, das haßt er nicht,
Denn will er sich todt lachen. –

(Matthias Claudius)

Wenn es Winter wird


Der See hat eine Haut bekommen,
so dass man fast drauf gehen kann,
und kommt ein grosser Fisch geschwommen,
so stösst er mit der Nase an.

Und nimmst du einen Kieselstein
und wirfst du ihn rauf, so macht es klirr
und titscher – titscher – titscher – dirr …
Heißa, du lustiger Kieselstein!

Er zwitschert wie ein Vögelein
und tut als wie ein Schwäblein fliegen –
doch endlich bleibt mein Kieselstein
ganz weit, ganz weit auf dem See draussen liegen.

Da kommen die Fische haufenweis
und schaun durch das klare Fenster von Eis
und denken, der Stein wär etwas zum Essen:
doch so sehr sie die Nasen ans Eis auch pressen,
das Eis ist zu dick, das Eis ist zu alt,
sie machen sich nur die Nasen kalt.

Aber bald, aber bald
werden wie selbst auf eigenen Sohlen
hinaus gehen können und den Stein wiederholen.

Christian Morgenstern

Die drei Spatzen


In einem leeren Haselstrauch,
da sitzen drei Spatzen, Bauch an Bauch.

Der Erich rechts und links der Franz
und mittendrin der freche Hans.

Sie haben die Augen zu, ganz zu,
und obendrüber, da schneit es, hu!

Sie rücken zusammen dicht an dicht,
so warm wie der Hans hat´s niemand nicht.

Sie hör´n alle drei ihrer Herzlein Gepoch,
Und wenn sie nicht weg sind, so sitzen sie noch.

Christian Morgenstern