Ein persönlicher Rückblick
Als mich die Stellenanzeige vor 10 Jahren, übermittelt von Frau Weber, erreichte, war ich frisch getrennt, alleinerziehend mit zwei Kindern und seit kurzem arbeitslos. Ich überlegte also nicht lange und wurde tatsächlich eingestellt. Geschafft, dachte ich. Ich war am gleichen Platz angekommen, an dem sich, im Sozialpraktikum in der 10 klasse mein Berufswunsch festigte. Quasi da wo alles begann.
Wie sehr hatte ich mich getäuscht! Jetzt ging es erst richtig los!
Der Kindergarten war lange Zeit in festen Händen gewesen, bevor er von meiner Vorgängerin, die nur ein Jahr da war, an mich überging. Ich startete ohne Einarbeitung oder Übergabe, mit einer Zweitkraft die selbst erst seit einem halben Jahr hier arbeitete und einer Ergänzungskraft, die vorrangig für die Küche zuständig war. Der Start war also etwas holprig.
Im Vorstand und auch im Kollegium, war man der Meinung da ich Waldorferzieherin sei, wüsste ich wie es in einem Waldorfkindergarten läuft. Dass aber jeder Waldorfkindergarten so ganz eigen und individuell ist, hatten sie nicht bedacht oder eben nicht gewusst.
Im ersten Jahr versuchte ich also alles so zu machen wie man es bisher gemacht hatte. Soweit dies eben möglich war, da es ja niemanden gab der mich hätte einführen können. Natürlich führte das zu Unstimmigkeiten, denn so viele Menschen unter einen Hut zu bekommen ist eben nicht einfach!
Ein Teil des Vorstands, welcher mich eingestellt hatte, war dann nicht mehr zufrieden mit meiner Arbeit. Es folgte ein regelrechter Krieg und eine ungute Zeit. Auch in der Elternschaft herrschte große Unzufriedenheit, welche aber immer nur unterschwellig zu spüren war und wenig offen und somit nicht konstruktiv bearbeitet werden konnte.
Auf den Spielplätzen in der Gegend sprach man plötzlich schlecht über den Kindergarten, der so eine fürchterliche Leitung hat. Auch im Team gab es unterschwellige Spannungen welche in die Elternschaft getragen wurden. Das führte zu sinkenden Anmeldezahlen. Der Kindergarten war gespalten. Es gab eine Gruppe Eltern, die die Arbeit welche wir ( die Belegschaft hatte inzwischen gewechselt) gemacht haben, sehr zu schätzen wusste und ein Teil Eltern, die überall wo sie hinkamen schlecht über unsere Arbeit sprachen und diese schlechte Stimmung verbreiteten.
Es war eine sehr harte Zeit und ich hatte mich zwischenzeitlich schon an einem anderen Kindergarten beworben, war also mehrfach kurz davor aufzugeben.
Durch die Unterstützung von verschiedenen Personen, die immer hinter mir standen, konnte ich aber meine Arbeit fortsetzen.
Um die Stelle als Leitung gut ausfüllen zu können, machte ich dann, nebenher an diversen Wochenenden, die Leitungsfortbildung in Stuttgart am Waldorferzieherseminar. Gut gerüstete mit vielen neuen Ideen z.B. dem Newsletter, ging ich an die Arbeit und zusammen mit Frau Dietmann und wechselnden Zweitkräften, begann ich die Altlasten aufzuarbeiten, viele Dinge zu verschriftlichen und die Außenwirkung wieder auf einen positiven Stand zu bringen.
Die Jahre gingen ins Land und plötzlich war auf den Spielplätzen der Umgebung wieder zu hören: Da müsst ihr hingehen, das ist ein so toller Kindergarten! Die Kinderzahlen sind so hoch wie nie, wir sind praktisch schon für drei Jahre im Voraus voll. Viele Dinge sind verschriftlicht, damit, sollte mal eine Nachfolgerin kommen, sie nicht in so ein Loch fällt wie ich es erlebt habe.
Dann kam Corona……. Die Coronazeit haben wir ganz gut überstanden, dachten wir… jetzt ein Jahr nach dem letzten Lockdown tritt zutage was alles kaputt gegangen ist in dieser Zeit. Wir sehen es im Moment als unsere Aufgaben die Kindergartengemeinschaft wieder aufleben zu lassen und die Menschen wieder zusammen zu bringen. Ihnen wieder zu zeigen wie wichtig jeder einzelne ist und dass ein Waldorfkindergarten nur funktionieren kann wenn sich jeder einzelne einbringt und nicht denkt: ach ich bin nur ein so kleines Licht und nicht so wichtig, das kann auch ein anderer machen.
Wenn ich so auf diese ganzen gemeisterten Herausforderungen zurück schaue, fällt mir auf dass es, wie so oft, nicht die Kinder sind die uns Erziehern Schwierigkeiten bereiten, sondern oft das drumherum.
Ich denke ich kann mit recht stolz auf die Arbeit sein, die ich hier in 10 Jahren geleistete habe! Natürlich nicht alleine! Immer war Unterstützung da, sonst ist so etwas nicht möglich. Trotzdem bin ich es, die voraus gegangen ist und immer noch geht.
Ich hoffe sehr auch weiterhin viel Unterstützung aus der Elternschaft zu erhalten, denn sie ist der Boden auf dem der Kindergarten steht. Wir können unsere Arbeit nur machen wenn wir wissen wir stehen auf sicherem Boden, einem der uns trägt und uns unterstützt, sonst geht uns die Kraft aus.
Unsere Aufgabe muss es sein diesen Boden zu nähren und zu gießen, damit er nicht austrocknet. Dies versuchen wir über die Elternarbeit mit all ihren Facetten. Wenn der Boden aber nicht aufnahmebereit ist, nutzt auch alles gießen und düngen nichts.
Wir alle gemeinsam Eltern, Erzieher und Kinder sind der Kindergarten und ich hoffe auf weitere 10 Jahre (oder mehr) in denen wir uns gegenseitig unterstützen um den Kindern einen bestmöglichen Start in ihr Leben zu ermöglichen.