Weidenkätzchen

Weidenkätzchen

Text: Christian Morgenstern, Melodie: Alois Künstler

Kätzchen ihr der Weide,

wie aus grauer Seide,

wie aus grauem Samt!

O ihr Silberkätzchen,

sagt mir doch, ihr Schätzchen,

sagt, woher ihr stammt.

Wollen’s gern dir sagen:

Wir sind ausgeschlagen

aus dem Weidenbaum,

haben winterüber

drin geschlafen, Lieber,

in tieftiefem Traum.

In dem dürren Baume

in tieftiefem Traume

habt geschlafen ihr?

In dem Holz, dem harten

war, ihr weichen, zarten,

euer Nachtquartier?

Mußt dich recht besinnen:

Was da träumte drinnen,

waren wir noch nicht,

wie wir jetzt im Kleide

blühn von Samt und Seide

hell im Sonnenlicht.

Nur als wie Gedanken

lagen wir im schlanken

grauen Baumgeäst;

unsichtbare Geister,

die der Weltbaumeister

dort verweilen läßt.

Kätzchen ihr der Weide,

wie aus grauer Seide,

wie aus grauem Samt!

O ihr Silberkätzchen,

ja, nun weiß, ihr Schätzchen,

ich, woher ihr stammt.